Vom Ameisen jagen und Hühner pflücken

Moin! Wer von euch mich etwas besser kennt, hat sich bei meinem letzten Blogeintrag bestimmt gewundert, weshalb ich darin nicht über eine meiner Lieblingsthemen berichtet habe, essen. Der Grund dafür ist wohl, dass ich mir dieses Thema für einen ganz eigenen Blogeintrag aufsparen wollte.


Das Essen besteht hier aus einer Mischung aus in Macas gekauften Produkten sowie dem Essen, das der Urwald bietet beziehungsweise das wir hier im Projekt anbauen oder großziehen. Ein typischer Einkauf in der Stadt beinhaltet meist viel Obst und Gemüse, Eier, Salz, Zucker, Milchpulver, Mehl und Öl, zudem Nudeln, Reis und oft auch Linsen oder Bohnen. Dies ist aber nur ein Teil der Dinge, die täglich auf unseren Tellern und dann anschließend in unseren Mägen landet. Der restliche Anteil ist für mich Großstadtkind natürlich viel interessanter, weshalb ich da in den ersten Wochen gerne mitgeholfen habe.


Da gibt es zum einen alles, was wir hier im Projekt anbauen und ernten. Dazu gehört, soweit ich bis jetzt mitbekommen habe, Yuca, Papa China (zwei Wurzeln, die etwas an Kartoffeln erinnern, aber ganz anders schmecken), Erdnüsse und Platanos, aber auch Früchte wie zum Beispiel Ananas und noch vieles mehr, wie mir erzählt wurde, und ich warte nun gespannt, bis die Früchte ernetreif sind. Zumindest bei Yuca durfte  ich bei einer Minga schon mitbekommen, wie viel Arbeit es ist, es anzubauen. Als Minga bezeichnet man die gemeinschaftliche Arbeit bei Aufgaben, die eine einzelne Person nicht verrichten kann. Möchte  beispielsweise jemand ein neues Haus bauen, öffentliche Plätze oder Schulen müssen gesäubert werden oder jemand baut eben ein Feld an, so legt man einen Tag fest, an dem dann Leute aus der Gemeinde zusammenkommen, um die Arbeit gemeinsam zu erledigen. Bei meiner ersten Minga auf dem Yucafeld verbrannten etwa 25 Leute störende Holzreste, schlugen Löcher und pflanzten kleine Stöcker auf einer großen Fläche einer Familie aus Yucaip. Eine Arbeit, die alleine wohl Wochen gedauert hätte, war so in wenigen Stunden erledigt, und es wurde im Anschluss gemeinsam gegessen und getanzt.


Neben zahlreichen Pflanzen gibt es in Selva Vida aber auch einige Tiere, die früher oder später verspeist werden. Neben den beiden Meerschweinchen sind das die anfänglich 13, momentan aber nur noch zehn Hühner. Nachdem eines der kleinen Küken einem Vogel zum Opfer fiel, wurde entschieden, den Hühnern eine Hütte für die Nacht am Fluss zu bauen. Gaia und ich freuten uns riesig, nicht zuletzt, da die beiden Hähne nun nicht mehr die Möglichkeit haben, in der Frühe ihr Geschrei vor unseren Häusern zum Besten zu geben. Leider brauchen Hühner ihre Zeit, um eine neue Schlafmöglichkeit anzunehmen. Deshalb heißt es nun jeden Abend die Hühner in den Bäumen suchen, sie dann mit teils erheblichem Kletteraufwand aus den Bäumen zu pflücken und sie dann in Richtung der Hütte zu scheuchen oder, wenn es gar nicht geht, zu tragen. Bei diesem Aufwand könnt ihr euch wahrscheinlich unsere Freude vorstellen, als einer der Hähne vorgestern das erste Mal alleine in die Hühnerhütte gegangen ist.


Und dann gibt es natürlich auch noch Tiere, die hier frei leben und dann ab und an auf unseren Tellern landen. Mit großem Abstand hat Fisch dabei den größten Anteil. Wenn es geht, essen Cesar, Lucy und Selena gerne zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen Fisch. Als ich mich das erste Mal im Angeln versuchte, hatte das schon nach zwei Minuten ein jähes Ende, als ich in der Erwartung, einen Fisch am Haken zu haben, so doll zog, dass der Bambusstock in der Mitte zerbrach. Am Haken hatte ich zwar etwas, es war allerdings ein großer Stein, was den Tod von Selenas Lieblingsangel bedeutete. Ich entschuldigte mich ziemlich oft bei Selena, doch mittlerweile kann sie und auch jeder andere, dem die Geschichte von meinem ersten Angelversuch erzählt wird,  darüber sehr lachen. Als ich bei meinem zweiten Angelversuch nach einer erfolglosen Stunde auf einem Stein saß und ins Dunkle starrte, überlegte ich mir schon einen Satz für diesen Blogeintrag, der in etwa wie folgt gelautet hätte: "Bei meinem zweiten Angelversuch hatte ich zwar nur einmal den Baum hinter mir am Haken, doch wenigstens hielt die Angel dieses Mal, was man schon als Fortschritt zählen kann.". Doch in diesem Moment wackelte der Stock plötzlich, und kurze Zeit später hielt ich einen großen Fisch in der Hand. Etwas später kehrte ich dann stolz mit drei selbstgefangenen Fischen zurück. Gefischt wird zudem auch mit Netzen oder mit der bloßen Hand, was aber für eine ungeschickte Anfängerin wie mich nicht im Bereich des Möglichen liegt. 


Zuletzt möchte ich schließlich noch auf eine ganz besondere Jagd eingehen. Aus Erzählungen weiß ich, dass Cesar ab und an kleinere Säugetiere jagen geht. Doch die Jagd von neulich hatte es auf etwas viel, viel Kleineres abgesehen: Ameisen. Hier gibt es Ameisen unterschiedlichster Art. Manche winzig klein und rot, andere dicker als mein kleiner Finger, schwarz und mit Flügeln. Diese fliegenden Königinnen und ihre Männchen gelten hier als Delikatesse. Um sie zu fangen, klingelte mein Wecker auch schon um kurz vor fünf, bevor der Hahn überhaupt die Möglichkeit hatte, mich aufzuwecken. Ausgerüstet mit zwei großen Töpfen mit Deckeln, allerlei Taschenlampen und einer Machete ging es dann ein paar Minuten durch den dunklen Dschungel. Auf einer kleinen Fläche mitten im Wald waren lauter kleine Löcher zu sehen, und es brummte schon alles vor uns. Die Königinnen und ihre Männchen fliegen alle paar Monate zwischen fünf und sechs Uhr morgens aus, um ein neues Ameisenvolk zu gründen. Nun musste alles sehr schnell gehen. Es wurden zwei Löcher für die Töpfe ausgehoben und Zweiggabeln davor aufgestellt. An die wurde dann jeweils eine Lampe befestigt, die auf die Töpfe gerichtet wurde. Licht zieht die kleinen Tiere nämlich an. Zudem wurden noch ein paar große Blätter vor die Töpfe gelegt, und schon ging es los. Das Brummen wurde immer lauter, und plötzlich flogen die ersten Ameisen in den Topf. Es klang ein bisschen wie beim Popkornmachen. Zuerst hörte man vereinzelt ein "Plong", was mit der Zeit immer mehr wurde, bis dann hunderte Ameisen in den Topf flogen. Selena und César machten sich an die Arbeit, die Ameisen am Rauskrabbeln zu hindern und sie in großen Mengen von den Blättern in den Topf zu schaufeln. Während die Dämmerung einsetzte, schauten wir zu, wie sich die beiden großen Töpfe immer schneller füllten, bis sie fast ganz voll waren. Ein paar Stunden später sah ich, dass nicht nur das eine Ameisenvolk ausgeflogen sein musste. Überall, in den Bussen, auf der Straße, in der Schule, sah man Menschen die Ameisen pulen. Kopf, Flügel und Beine der kleinen Insekten waren über den ganzen Pausenhof verteilt, und von Lehrern wie von Schülern wurden mir gleich welche angeboten, manche schon in Öl geröstet und gesalzen, andere noch sich lebend windend. Ich muss zugeben, vor allem geröstet schmecken die Ameisen sehr gut, und schon bald produzierte auch ich kleine Haufen an Ameisenabfällen. Wilson, ein Englischlehrer an meiner Schule, erklärte mir: "Wenn die Ameisen fliegen, ist das wie ein Fest für die Shuar!". 


Mal sehen, was ich die nächsten Monate alles zu essen bekomme, bis jetzt schmeckt es aber alles sehr gut. Doch fast noch wichtiger als der Geschmack ist mitzubekommen, wie hier auch ohne Supermarkt um die Ecke  gekocht wird. Und auch wie viel Arbeit manchmal hinter so einer Mahlzeit steckt, ist eine gute Erfahrung, um das Essen mehr zu schätzen. Ich bin nur heilfroh, dass ich mich hier nicht selbst versorgen muss, denn ich habe noch einiges zu lernen zum Thema Dschungelessen!


Kashint!

Das Feld direkt vor der Küchentür ist unter anderem bepflanzt mit Platanos, Yuca, Papa China und Erdnüssen.
Das Feld direkt vor der Küchentür ist unter anderem bepflanzt mit Platanos, Yuca, Papa China und Erdnüssen.
Ein guter Fang! Vor allem der große Fisch, mein erster selbst geangelte Fisch überhaupt!
Ein guter Fang! Vor allem der große Fisch, mein erster selbst geangelte Fisch überhaupt!
Seht ihr das Huhn? Gar nicht so einfach, die alle im Dunkeln zu finden...
Seht ihr das Huhn? Gar nicht so einfach, die alle im Dunkeln zu finden...
Lecker, Ameisen!
Lecker, Ameisen!

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Kommentare: 7
  • #1

    Ada (Freitag, 05 Oktober 2018)

    Hallo Schatz, so so manche Gerichte sind sehr aufwendig zur vorbereiten? Ich sage nur deine liebling nudelssouce....
    Ich freue mich das Dir gut geht. Versuch zu senden wen. Du die Hühner fangen sollst ist einfacher! Viel spaß grosse.

  • #2

    Armando tumminelli (Dienstag, 09 Oktober 2018 16:46)

    Sono contento che impari cose nuove e abitudini diverse di quelle che abbiamo in Europa,ma ho capito bene che hai provato a mangiare le formiche?te lo chiedo perché il traduttore di Google non è chiarro.saluti dal nonno.

  • #3

    Ich... (Dienstag, 16 Oktober 2018 08:34)

    ...finde, einfacher geht's ja kaum: Eimer in Loch, und dann fängt sich das Essen von selbst. Man kann dann auch sofort losfuttern, und wer möchte, kann die Leckerei auch noch kurz auf den Grill legen. Geht schneller als Spaghetti Bolognese, Ada, sogar, wenn die von Maggi sind. Und ist garantiert voll öko.
    Guten Appetit, Elli!

  • #4

    peter.kowsky@googlemail.com (Sonntag, 21 Oktober 2018 17:52)

    Moin Elli,
    ich freue mich, dass es Dir offensichtlich gut geht. Deine Erzählungen sind super. Ich gucke jetzt zum ersten Mal hinein, werde es aber nun häufiger tun. Ich habe jedenfalls Lust bekommen, auch einmal nach Ecuador zu fliegen, auch wenn mich derart lange Flüge abschrecken.
    Uns geht´s gut, mein kleiner Enkel Milosh-Luca ist propper und erobert Anna´s Bauwagenplatz Ich werde mal wieder Armin anrufen, die beiden haben wir lange nicht gesehen. Dir alles Gute und ich bin gespannt auf neue Geschichten.
    Lieber Gruß,
    Peter

  • #5

    Ellie Homburg (Dienstag, 30 Oktober 2018 21:25)

    Ellie ik ga het weer proberen voor de derde keer !! Je bent morgen jarig en ik wens je een fijne dag toe hetzelfde wel heel vreemd zijn Zo ver van huis ik ga extra aan je denken !!!lk heb je nu op mijn l pad en vind het heel Leuk om te lezen wat je daar allemaal meemaakt zo spannend !!!!groetjes en liefs v.an. Tante Rie dikke kus doeiiiii ���

  • #6

    peter.kowsky@googlemail.com (Sonntag, 10 Februar 2019 11:03)

    Moin Elli,
    heute wollten wir eigentlich mit Conny und Armin an der Elbe spazieren gehen, aber leider regnet es ununterbrochen. Nun puzzeln wir zuhause rum, Ala sortiert Fotos und ich will ein wenig malen.
    Ich hoffe, Dir geht es gut. Nun kriegst Du ja bald Besuch aus Hamburg und sicher ist es für Dich auch schön, die beiden wiederzusehen.. Der Bruder von Ala aus Ecuador kommt bald mit seiner Frau für einen Besuch nach Hamburg. Merkwürdigerweise stoßen wir momentan auf viele Verbindungen zu Ecuador. Vielleicht raff ich mich ja doch noch mal auf, mich für eine so lange Strecke ins Flugzeug zu setzen.
    Dir alles Gute und bis demnächst in HH, Peter.

  • #7

    Steffi :) (Donnerstag, 13 Juni 2019 19:20)

    Moin moin Elli,
    Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten selbst geangelten Fisch (denn ich hab noch nie geangelt :))
    Ich lese, du hast so eine schöne Zeit und lernst so viel Neues! - auch für dein späteres Leben - Wichtiges. Ich freue mich so sehr für dich, dass du diese Erfahrungen machst.