Selva Vida

Moin! Zu allererst möchte ich mal erwähnt haben, dass alles, wovon ich hier berichte, meine subjektive Sicht widerspiegelt und an einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit gebunden ist. Zudem sind meine Berichte, dieser wie auch alle zukünftigen und schon geschriebenen, auf gar keinen Fall repräsentativ für Weltwärts-Freiwilligendienste, Ecuador, den Urwald, Südamerika, oder sonst was zu sehen, sie geben nur meine eigenen Erfahrungen und Schilderungen über den Freiwilligendienst wieder. 


Jetzt aber zum interessanten Teil: An einem Freitagabend, nach einem ganzen Tag im Bus, kam für Gaia und mich endlich das ersehnte Schild mit der Aufschrift "Ecological Project Selva Vida" in Sicht. Also das wäre es, wenn zu dieser Zeit nicht schon dunkle Nacht geherrscht hätte. Aber das ist nun Nebensache, Hauptsache ist, dass wir endlich in dem lange ersehnten und gespannt erwarteten Projekt sind, das nun für ein Jahr unser Zuhause ist. Von der Straße aus ging es dann beladen mit Gepäck noch etwa zehn Minuten einen kleinen Pfad hinunter zu den Häusern. Müde, beladen, mit eingeschränkter Sicht und tollpatschig wie ich eben bin rutschte ich auf den letzten Metern aus und fiel hin. Aber keine Sorge: Außer einer dreckigen Hose war alles gut. Um euch nun einen ersten Eindruck von dem Projekt zu geben, in das ich im wahrsten Sinne des Wortes reingerutscht bin, möchte ich mich in diesem Blogeintrag dem Projekt "Selva Vida" widmen.  


Das Projekt liegt (abhängig vom Zustand der Straße) zwei bis drei Busstunden in östlicher Richtung von der Hauptstadt der Provinz Morona Santiago, Macas, entfernt. In dieser Gegend leben zum größten Teil Mitglieder einer Gruppe von Ureinwohnern von Ecuador, die Shuar. Die nahe Gemeinde heißt Yukaip, der nächste größere Ort ist Macuma, wohin man von hier jedoch 40 bis 60 Busminuten braucht. Gegründet wurde das Projekt 2008 von César, seinerseits ein Shuar, um den Erhalt des Regenwaldes und der Kultur der Shuar zu sichern. Das Projekt liegt auf fast 700 Metern Höhe und ist umgeben von Regenwald und zwei Flüssen, dem Río Macuma und dem kleineren Río Colorado. Diese sind für die Bewohner von Selva Vida aus verschiedenen Gründen sehr wichtig, worauf ich aber später noch mal eingehen werde.  


Mit Bewohnern sind zu allererst César, seine Frau Lucy und deren dreijähriger Sohn Tuntiak (das heißt Regenbogen auf Shuar) gemeint. Zudem lebt momentan Selena, Lucys Schwester, bei uns. Und nun schon zum vierten Mal gehören auch jeweils zwei deutsche Freiwillige für ein Jahr dazu. Seit kurzem sind das Gaia und ich. Immer wieder sind zusätzlich Kurzzeitfreiwillige aus unterschiedlichen Ländern zu Besuch. Moment lebt deshalb Carlos, ein Spanier, für sechs Wochen hier. Neben den menschlichen Bewohnern gibt es zudem Susu, den Hund, die Katze Pancha, zwei Hühner, zwei Hähne, neun Küken, eine Kuh, ein Pferd und zwei Meerschweinchen. Bis vor kurzem wurde ein Haus zudem von einer Tarantel bewohnt, ihre Mitbewohnerin Gaia war damit aber nicht zufrieden, weshalb César ihr ein neues Zuhause suchte. Nicht zu vergessen sind zudem eine Vielzahl an Insekten, die dem Begriff "Vielzahl" wirklich alle Ehre machen, und andere kleine Tiere wie zum Beispiel Vögel, die eine oder andere Schlange, viele Spinnen und wahrscheinlich auch den einen oder anderen Skorpion. 


Die Häuser, die lose über das Grundstück verteilt sind, bestehen zum großen Teil aus Holz aus der Umgebung und sind mit speziellen großen Blättern gedeckt. In dem Haus, in dem die Küche ist, ist immer am meisten los. Man kommt dort zu den Mahlzeiten, aber auch darüber hinaus zusammen. Wie der Name schon vermuten lässt, wird hier auch gekocht, meist am Gasherd, oft brennt hier aber auch ein Feuer, das ab und zu als Kochstelle genutzt wird. Neben der Küche steht ein kleines Haus, das momentan von Gaia bewohnt wird, und die Klos. Direkt am Río Macuma gibt es zudem ein Volleyball-/Fußballfeld, das auch an das Haus von César, Lucy und Tuntiak grenzt. Kommen wir nun zu dem Haus, in dem ich gerade diesen Text schreibe, mein Haus für das kommende Jahr: Es ist sehr offen gebaut, so dass viel Licht hineinfällt, und steht direkt am kleinen Río Colorado. Ausgestattet ist es mit einem Bett, umgeben von einem Moskitonetz, einem Tisch, einem Hocker und sehr vielen Wäscheleinen, die bis jetzt immer gut belegt sind. Außerdem gibt es ein momentan wenig genutztes altes, großes Haus, ein doppelstöckiges Haus für die Kurzzeitfreiwilligen und "la casa de las hamacas", das Hängemattenhaus, mit einem tollen Ausblick auf den Fluss und die Berge. 


Die eben schon angesprochene Wichtigkeit der Flüsse lässt sich mit dem fehlenden Strom- und Wasseranschluss erklären. Wobei das Wort "fehlend" hier wohl nicht ganz angebracht ist, es geht nämlich (meiner Meinung nach) auch ganz gut ohne. In den Flüssen wird sich sowohl selbst gewaschen als auch das Küchenbesteck und die Klamotten. Die Einheimischen trinken das Flusswasser zudem, was daran nicht gewöhnten Menschen jedoch nicht bekommen würde. Zudem wird in den Flüssen gefischt, was sie auch zur Nahrungsquelle macht. Fisch ist hier übrigens eines der Hauptnahrungsmittel. Nach Sonnenuntergang spenden Kerzen oder bei Bedarf Taschenlampen Licht. Anstatt sich gegenseitig anzurufen oder zu schreiben reicht auf dem Gelände ein Ruf. Braucht César beispielsweise oben an der Straße Hilfe beim Tragen der Einkäufe, macht er ein Geräusch wie eine Eule und unten weiß man, dass er Hilfe braucht. Und unsere Alarmanlage, der Hund Susu, springt auch ganz ohne Strom auf alle Menschen an, die nicht im Projekt wohnen. 


Enden möchte ich meinen Bericht über meinen ersten Eindruck vom Projekt mit einer Erkenntnis aus den ersten Tagen hier: Eines der wichtigsten Dinge, die man laut César zum Leben hier braucht, sind Gummistiefel. Ist ja klar, es regnet hier viel, und da müssen die Füße irgendwie trocken bleiben. Dieses Wissen habe ich jedoch wieder über den Haufen geworfen, als ich in Gummistiefeln bis zum Bauch im Fluss stand, um mit Gaia und César ein Netz zum Fischen zu befestigen. Oder als César uns sagte, dass wir, wenn es dunkel ist, möglichst immer und wetterunabhängig Gummistiefel tragen sollen, das schütze vor Schlangen und anderen Tieren. Nun warte ich gespannt darauf, wofür ich im nächsten Jahr meine neuen Gummistiefel wohl noch alles bnutzen kann.  


Insgesamt kann ich nur sagen, dass mir das Leben in Gummistiefeln mit all seinen für mich so neuen Facetten, also kurzgesagt "la selva vida" (übersetzt: das Urwaldleben), bis jetzt sehr gefällt! 


Hasta luego, oder wie man auf Shuar sagt: kashint!

Gaia und ich, endlich angekommen!!
Gaia und ich, endlich angekommen!!
Und, erkennt ihr es? Von diesem Platz hat Maja, eine vorige Freiwillige, ein Bild vom Projekt gemacht. Dieses Bild wurde dann zum Hintergrund dieses Blogs!
Und, erkennt ihr es? Von diesem Platz hat Maja, eine vorige Freiwillige, ein Bild vom Projekt gemacht. Dieses Bild wurde dann zum Hintergrund dieses Blogs!
Mein Haus umgeben von Urwald
Mein Haus umgeben von Urwald
Das Hängemattenhaus
Das Hängemattenhaus
Die Küche von Selva Vida
Die Küche von Selva Vida
Der Hund Susu
Der Hund Susu
Mein Haus von hinten, direkt am Río Colorado, mit dessen Geräusch ich jeden Abend einschlafe!
Mein Haus von hinten, direkt am Río Colorado, mit dessen Geräusch ich jeden Abend einschlafe!

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Kommentare: 8
  • #1

    Mamma (Sonntag, 23 September 2018 16:36)

    Elli che bello vedere dove sei. Casa tua é piú piccola della tua stanza die Amburgo, peró li hai un fiumiciattolo.....che meraviglia. Sono felice di saper che stai bene e che sei in un posto tan meraviglioso. Stai lontana dagli scorpioni altrimenti li avveleni :-) i ragni e i serpenti.....be! tieni gli occhi aperti.!

  • #2

    Jutta und Gerd (Montag, 24 September 2018 09:42)

    Liebe Elli,
    Glückwünsche zu deinem Entschluss, in diesem offensichtlich schönen Land zu arbeiten. Und ein wenig beneiden wir dich natürlich auch. Hier in Hamburg ist heute echtes Kaiserwetter, aber im Grunde verpasst du nichts.
    Lass es dir gut gehen, grüß' alle Menschen, mit denen du zu tun hast, auch den kleinen Hund,
    Herzliche Grüße aus Hamburg
    Jutta und Gerd,
    die zurzeit in deinem Zimmer wohnen dürfen.

  • #3

    Anke+Thomas (Montag, 24 September 2018 16:39)

    Hallo Elli,
    was man so sieht,spricht für ein wirklich interessantes und aufregendes Projekt.Man könnte direkt neidisch werden!
    Ist „Shuar“ eine eigenständige Sprache oder Dialekt oder ist es mit dem Spanischen verwandt?
    Wieviele Menschen leben in Eurem Ort/Projekt?
    Wie kommunizierst Du mit der Heimat ohne Strom?
    Wir wünschen Dir auf jeden Fall eine tolle Zeit und immer ein schädlings/nützlingsfreies Haus.
    Liebe Grüße von Anke+Thomas

  • #4

    Ich... (Montag, 01 Oktober 2018 00:56)

    ... hoffe ja, dass der kleine Hund, an den der Gruß von Jutta und Gerd geht, nicht auch auf dem Speiseplan landet.
    Guten Appetit, Elli!

  • #5

    Ria & Goli (Mittwoch, 31 Oktober 2018)

    Dir, nein euch alles Liebe und weiterhin viele unvergessliche Eindrücke. Wir freuen uns schon auf Deine neuen Einträge.
    Viva St. Pauli!

  • #6

    peter.kowsky@googlemail.com (Sonntag, 04 November 2018 09:54)

    Moin Elli,
    gestern rief Rupprecht aus Ecuador an und wir haben wieder an Dich gedacht. Romantisches Haus, das Du dort bewohnst, nach fließend Wasser und Spülklo sieht es nicht unbedingt aus, aber muss ja auch nicht sein. In welchem Zimmer steht der Flachbildfernseher?
    Wir waren gestern mal wieder an der Ostsee in Niendorf und haben uns zwei Dorsche mitgebracht, die gibt es heute abend. Die von Dir erwähnten Schlangen würden mich nervös machen, aber Du passt hoffentlich nicht in deren Futterspektrum.
    Weiter viel Spaß für Dich, alles Gute aus HH,
    Peter

  • #7

    peter.kowsky@googlemail.com (Donnerstag, 13 Dezember 2018 18:45)

    Moin Elli,
    nun sind es für uns noch 2 Tage im kalten Hamburg, dann gehts ab nach Gomera. In den vergangenen Wochen hatten wir ständig mit Erkältungen zu kämpfen. Außerdem hat Ala sich Spritzen gegen Arthrose ins Knie setzen lassen, ich ins Fußgelenk; hoffentlich können wir gut wandern auf Gomera. Heute habe ich Anna und meinen Enkel Milosh im Bauwagen besucht und Weihnachtsgeschenke hingebracht. Der Lütte macht sich prächtig.
    Wir hoffen, dass es Dir richtig gut geht und Du viele Bilder machst, die wir später bewundern können. Lass es Dir gut gehen,
    Grüße aus Volksdorf von Ala und Peter.

  • #8

    Steffi :) (Donnerstag, 13 Juni 2019 19:05)

    Liebe Elli,
    vielen Dank, dass du diese großartigen Eindrücke teilst.
    Du lässt einen so richtig in das Leben dort eintauchen.
    Die Bilder sind wundervoll.
    LG